Containerschifffahrt

Lebhafte Vergangenheit und nachhaltige Zukunft

Wer bislang noch nicht bemerkt hatte, welche Rolle die Schifffahrt in der globalen Wirtschaft spielt, musste dies spätestens in den zwei Jahren der Corona-Pandemie in aller Deutlichkeit erkennen. Von den Anfängen 1937 bis zum heutigen Kurs in die Nachhaltigkeit ist die Entwicklung der Containerschifffahrt eng verflochten mit der Entwicklung der internationalen Handelswirtschaft.

Ernst Russ AG: Mirror
Ernst Russ AG: MS Mirror

Malcolm McLean ist weitestgehend unbekannt. Der Lastwagenfahrer aus North Carolina ist aber aufgrund einer genialen Erfindung eine der wichtigsten Personen des 20. Jahrhunderts. Er hatte im Jahr 1937 die Idee, standardisierte Stahlcontainer zu entwickeln, die sich sowohl auf Schiffen als auch auf Zügen und Lastwagen einfach und vereinheitlicht transportieren lassen. Am 26. April 1956 stach an der US-amerikanischen Ostküste das weltweit erste Containerschiff in See. An Bord hatte der umfunktionierte Schiffstanker „Ideal X“ genau 58 Container.

Ernst Russ AG - IdealX
Die „Ideal X“ verließ am 26. April 1956 mit den ersten Containern an Bord den Hafen von Newark (New Jersey) nach Houston, Texas (Foto: Querschnitt der Ideal X, Karsten Kunibert, Schiffsquerschnitt, CC BY-SA 3.0).

Zehn Jahre später, im Jahr 1966, brachte die „Fairland“ der amerikanischen Reederei Sea Land die ersten 99 Container nach Deutschland und die Containerschifffahrt wurde international. Die Einführung von Standardcontainern führte zu einer Wachstumsexplosion des Welthandels. Der Container bewies in dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs aber auch in Krisensituationen wie dem Vietnamkrieg, dass mit ihm große Mengen an Versorgungsgütern verlässlich transportiert werden können. Der Boom des Schiffscontainers war nicht mehr zu stoppen. Ökonomen schätzen, dass die einsetzende Containerisierung seit 1966 in einem Zeitraum von 15 Jahren zu einem Anstieg des bilateralen Handels von 1.240 % zwischen Ländern des globalen Nordens geführt hat.

Ernst Russ AG - Malcom McLean
Malcom McLean (* 14.11.1913 in Maxton, North Carolina; † 25. Mai 2001 in New York City, New York) war ein US-amerikanischer Reeder und Transportunternehmer (Foto: Maersk Line, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons).

Zum Vergleich: Den positiven Handelseffekt der GATT-Mitgliedschaft, d.h. der Mitgliedschaft im Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (englisch: General Agreement on Tariffs and Trade) vom 30. Oktober 1947, taxieren die Wirtschaftsforscher für denselben Zeitraum auf „nur“ 194 %. Der Erfolg zahlte sich aus: Ende der 1960er Jahre verkaufte Lastwagenfahrer McLean sein Imperium mit einem Gewinn von 160 Mio. USD. Von der Erfindung McLeans profitierte aber nicht nur er. Allein die Verringerung des Arbeitsaufwands hat die Wirtschaft in vielen Bereichen revolutioniert. Vor der Containerisierung mussten Waren an jeder Station der Lieferkette von Hand verladen und umgeladen werden – vom Schiff zum Hafen, vom Hafen zum Zug, vom Zug zum Lkw. Frachtschiffe verbrachten lange Tage in den Häfen beim Be- und Entladen der Güter.

Heute ist ein Großteil dieser Arbeit automatisiert und schnell erledigt. Ein riesiges Containerschiff kann im Vergleich zur Mitte des letzten Jahrhunderts in einem Bruchteil der Zeit und mit Nutzung von wenig Arbeitskraft be- und entladen werden. Und viele weitere Arbeitsschritte sind weniger zeit- und kostenaufwendig. Nur wenige Besatzungsmitglieder werden für ein Hochseeschiff benötigt, das länger als vier Fußballfelder ist. Ein LKW-Fahrer kann einen Anhänger an einer Laderampe abstellen, einen weiteren Anhänger ankoppeln und sofort weiterfahren.

Containerschifffahrt heute

Die internationale maritime Frachtschifffahrt transportiert gegenwärtig einen Großteil der weltweiten Handelswaren – sie ermöglicht den Transport von Rohstoffen zu Raffinerien, verarbeiteten Waren zu Fabriken und Fertigwaren zu Verbrauchern. Im- und Export, wesentliche Teile der Wirtschaftsleistung sowie die führende Stellung Deutschlands als Industrie- und Handelsnation in der Welt hängen direkt und indirekt von einer leistungsfähigen maritimen Wirtschaft ab. Bereits 2017 wurden mehr als 60 % des deutschen Hochseehandels in Containern transportiert, womit Deutschland unter den EU-Ländern den mit Abstand höchsten Containerisierungsgrad in Bezug auf den Hochseehandel aufweist. Mit einem Wert von 28,5 Billionen USD liegt der Welthandel im Jahr 2021 auf Rekordniveau. Die Containerschifffahrt ist bis heute einer der wichtigsten Treiber des Welthandels. Das Seeschiff ist zudem das wichtigste und CO2-ärmste Verkehrsmittel für den internationalen Warenaustausch. Um einen Container über einen Kilometer zu transportieren, stößt ein LKW ein Vielfaches an CO2 aus als ein modernes Frachtschiff. Dabei sichern deutsche Reedereien mehr als 480.000 Arbeitsplätze und tragen mit ihrer Arbeit zu einer Wertschöpfung von über 30 Mrd. EUR bei. Generell hat die Containerschifffahrt damit bei hoher Leistung eine positive und nachhaltige Wirkung auf die globale Wirtschaft.

Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) will die positive Umweltbilanz weiter verbessern und hat die Verringerung der gesamten Treibhausgasemissionen der Schifffahrt um 50 % bis 2050 im Vergleich zu den Werten von 2008 festgelegt. Die Zielsetzung der Regulierungsbehörde wird zunehmend von weiteren Initiativen flankiert, die darauf abzielen, die Kohlenstoffemissionen bis Mitte des Jahrhunderts zu reduzieren. Ernst Russ verfolgt ebenfalls die positiven Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Kraftstoffe sowie der Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz an Bord und nutzt z.B. im Alltagsbetrieb der Schiffsflotte Hardware, die für den optimierten Betrieb der Maschine unerlässlich ist, speziell bei der Bereitstellung nachhaltiger Lösungen zur Wasseraufbereitung, bei der Energieeffizienz, der Emissionsverringerung sowie der generellen Verringerung der Umweltverschmutzung. Der Weltschifffahrtsverband ICS plant, unterstützt vom Verband Deutscher Reeder (VDR), dass die Branche schon im Jahr 2050 global vollständig klimaneutral fahren kann. „Wir als Industrie sind damit bislang weit ambitionierter als die Staatengemeinschaft in der IMO“, sagt Dr. Gaby Bornheim, Präsidentin des VDR. „Wir setzen damit ein Signal, jetzt sind alle angesprochen: Politik, Mineralölbranche, Motorenhersteller, Forschung, Häfen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung.“

Ernst Russ AG
Eines der frühen Containerschiffe war das 1967 auf der J.J. Sietas Schiffswerft, Hamburg-Neuenfelde gebaute „Teesland“ mit einer Kapazität von 80 TEU (Okänd fotograf/Sjöhistoriska museet, Public domain, via Wikimedia Commons)

Containerschifffahrt und die Corona-Pandemie

Im Jahr 2020 wurde nach der Entdeckung des Coronavirus Anfang Januar und den ersten europäischen Lockdowns im März jedem Einzelnen die große Bedeutung nahtloser Lieferketten für einen reibungslosen Waren- und Güterverkehr deutlich vor Augen geführt. Zu Anfang der Pandemie wurde die Containerschifffahrt mit einem gravierenden Rückgang des internationalen Handels konfrontiert, wenig später gab es einen sehr starken Nachfrage- und Angebotsanstieg, der unterschiedlich in verschiedenen Weltregionen und Sektoren auftrat. Containerschiffe mussten darauf warten, dass sie in den Häfen der Industriestaaten entladen wurden.

Exporteure hatten Probleme ihre Güter aufgrund von Schließungen großer chinesischer Häfen zu verschiffen. Dazu kam, dass in Ländern wie Vietnam und Malaysia hohe Infektionszahlen die Produktionskapazitäten verringerten und einige stark frequentierte Containerhäfen nicht genug Personal hatten. In den Häfen fehlten Arbeiter, die krank zu Hause waren. LKW-Fahrer und Schiffsbesatzungen konnten aufgrund von Gesundheitsbeschränkungen die Grenzen nicht passieren. In den USA fehlten Lastwagenfahrer und -fahrerinnen, die Container aus den Häfen ins Hinterland bringen. Erhebliche Abfertigungsschwierigkeiten gab es an der Ostküste in New York und Savannah, an der Westküste in Seattle und Long Beach/Los Angeles. Die aufgestaute Nachfrage aufgrund umfangreicher Konjunkturprogramme während der langen Sperrungen belastete die Lieferketten. Dies führte nicht nur zu Verzögerungen bei der Lieferung von Waren an die Kunden, sondern auch zu einem Anstieg der Kosten für die Lieferung.

Im November 2021 warteten weltweit rund 600 große Containerschiffe darauf, dass sie in Häfen abgefertigt wurden. Von den weltweit verfügbaren ca. 25 Mio. Containern befanden sich rund 10% in Wartestellung. Und die Krisensituation, die die Corona-Pandemie Anfang 2020 verursacht hat, hält weiterhin an. Trotzdem befinden sich viele Millionen Seecontainer rund um den Globus in Bewegung und bilden das Fundament des modernen Handels – auch in unruhigen Zeiten wie diesen. VDR-Präsidentin Bornheim ruft alle Beteiligten dazu auf, in Krisenzeiten wie diesen zusammen zu arbeiten: „Es ist Sand im Getriebe, den wir nur gemeinsam wieder aus den Lieferketten rausbekommen werden.“

Weitere Tipps und Informationen finden Sie in dem aktuellen Investor's Quarterly.

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